Donnerstag, 31. Dezember 2015

Das Jahr 2015





eigentlich hatte ich mir ja fest vorgenommen regelmäßig zu bloggen, aber auch meine Tage haben nur 24 Stunden und diese gehen seit dem Sommer 2015 schneller vorbei als ich „Teddybärisierung“ sagen kann.

Was für ein Jahr! Als ich im Frühsommer gefragt wurde, ob ich nicht auch die Vormundschaft für zwei minderjährige unbegleitete Flüchtlinge übernehmen würde, habe ich nicht damit gerechnet, dass aus zweien mal sehr sehr sehr viele werden und diese Kinder und Jugendlichen nicht nur mein berufliches Leben sondern meine Ansichten über die Welt, die Menschen und das Leben an sich so durcheinanderwirbeln würden.

Aktuell ist mein jüngstes Kind 11 und die Ältesten morgen 18 Jahre alt. Man braucht viele Hände und Füße, um meine „Arbeitskinder“, wie meine jüngste Tochter sie nennt, zu zählen. Dennoch habe ich zu jeder Akte ein Gesicht und eine Geschichte. Ich weiß um  verlorene, verwundete und getötete Eltern, Geschwister und Angehörige, Folter, Mord, Missbrauch, Zwangsheirat und überlebte Selbstmordattentate....Geschichten, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen. Diese jungen Menschen haben ihre Länder nicht aus Lust und Laune verlassen. Sie haben alles aufgegeben, alles verloren, Menschen auf der Flucht sterben sehen...Nie werde ich die Worte eines Jungen vergessen, der mir sagte: „Das Boot hinter uns ist gesunken und alle sind ertrunken!“

Neben all dem Leid sind diese Kinder- und Jugendlichen aber immer noch in der Lage zu singen und zu tanzen, anderen Menschen zu helfen und eine Freude zu machen. Da werden von wenigem Taschengeld Weihnachtsgeschenke für Betreuer gekauft und nicht etwa die günstigsten Ohrringe ausgewählt, sondern die schönsten, weil die Betreuerin das verdient hat. Nie werde ich meinen letzten Geburtstag vergessen. Die Liebe die sie darauf verwendet haben, um alles für mich vorzubereiten. Ich bin kein sooo großer Geburtstagsfan, aber diesen werde ich niemals vergessen!

Bei meinen „Arbeitskindern“ liegen Licht und Dunkelheit so nah beieinander. Schönes und Schlechtes wechseln sich ab.

Es gilt im neuen Jahr viele Probleme zu lösen. An erster Stelle steht für mich von meinen Jungs nie wieder hören zu müssen, dass sie sich hier bei uns nicht willkommen, nicht gewollt fühlen. Sie sind gewollt von mir und von vielen anderen und sie haben eine faire Chance verdient. Aktuell werden sie in vielen Fällen nur als Kostenfaktor und als Belastung angesehen. Es schafft sich gerade ein zweites Jugendhilfesystem und zwar eins 2. Klasse

 Da höre ich vom Inhaber des staatlichen Wächteramtes in Sachen Kinderschutz: „Also nein, wegen einem Flüchtlingskind gehen wir gar nicht erst los! Das  nehmen wir nicht in Obhut, denn da kriegen wir ja das Geld nicht wieder!“ Da wird gedroht mit teilweise absurden Konsequenzen, Gerichtsverfahren provoziert und Kosten in Kauf genommen, die bei einer kooperativen Zusammenarbeit hätten gespart werden können...Ich könnte hier mehr ins Detail gehen, das will ich aber nicht, denn vielleicht lesen und verstehen das meine Jungs. Sie sollen wissen, dass sie gewollt sind, dass dieser Bereich nur einen Teil der Gesellschaft ausmacht und dass ein großer Teil bereit ist zu helfen.

Für 2016 Ich wünsche mir keine Sätze mehr zu hören wie: „Ich habe mein Land verlassen, alles verloren und hier will mich auch keiner!“ Ich wünsche mir, dass individuell auf jedes Kind und jeden Jugendlichen geschaut wird, was er oder sie wirklich braucht. Nur weil diese jungen Menschen ganz alleine den Weg nach Deutschland bewältigt haben heißt das nicht, dass sie hier keine Hilfe mehr brauchen. Es bedeutet nicht, dass sie erwachsen sind. Auch wenn sie vielleicht reifer sind als viele deutsche Kinder in ihrem Alter. Diesen Kindern und Jugendlichen fehlt meiner Meinung nach das Elementarste zum Wachsen und Reifen, ihre Familie. Sie müssen sich in einer neuen Gesellschaft zurechtfinden, eine neue Sprache lernen, sich neuen Gegebenheiten anpassen und das alles ohne den sicheren Hort der Familie und  manchmal auch ohne einen sicheren Ort hier in Deutschland.

Manchmal schäme ich mich für das System in Deutschland. Nein viele Dinge kann ich nicht nachvollziehen, weder als Juristin noch als Mensch. Da wird Recht gedehnt und teilweise willkürlich ausgelegt, aus Kostengründen, aus Überforderung...Ein Notfallplan löst den nächsten ab, dabei sollten wir alle langsam aufhören überrascht zu sein. Ja, es kommen viele Flüchtlinge und ja, es macht richtig viel Arbeit. Aber es ist langsam an der Zeit mit der Situation rechtstaatlich und nicht willkürlich umzugehen

Ich wünsche mir 2016 eine kooperative Zusammenarbeit mit Ämtern, Behörden, Einrichtungen und Institutionen jenseits von Eitelkeiten und Befindlichkeiten. Wir haben alle nicht die „Weisheit mit Löffeln gefressen“, aber jeder verfügt über einen großen Erfahrungsschatz, Wissen und meistens auch über echte Kompetenz. Wirft man die in einen Topf und stellt sein eigenes Ego hinten an, kann etwas richtig Gutes draus werden für alle- für die Kinder- und Jugendlichen und für unser Land. Tja, ich sagte ja, ich glaube nicht an Magie, aber manchmal darf man doch hoffen....

Für meine „Arbeitskinder“ wünsche ich mir 2016 das sie ihren Weg gehen, dass sie ihre Stimme nicht verlieren, dass sie ihre Persönlichkeit behalten trotz ihrer Bemühungen sich Anzupassen und sich ihr unglaubliches Lachen und ihre positive Energie bewahren. Sie sind jeder Einzelne etwas ganz Besonderes! Jeder Einzelne hat ein Recht auf eine faire Chance in unserem Land!

Für uns alle wünsche ich mir Gelassenheit und Freundlichkeit, ein weites Herz und einen klaren Verstand. Am Ende wird alles gut und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es auch noch nicht zu Ende. Auf in ein rockiges Jahr 2016.

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