eigentlich hatte ich mir ja fest vorgenommen
regelmäßig zu bloggen, aber auch meine Tage haben nur 24 Stunden und diese gehen seit dem Sommer 2015
schneller vorbei als ich „Teddybärisierung“ sagen kann.
Was für ein Jahr! Als ich im Frühsommer gefragt
wurde, ob ich nicht auch die Vormundschaft für zwei minderjährige unbegleitete
Flüchtlinge übernehmen würde, habe ich nicht damit gerechnet, dass aus zweien mal sehr sehr
sehr viele werden und diese Kinder und Jugendlichen nicht nur mein berufliches Leben
sondern meine Ansichten über die Welt, die Menschen und das Leben an sich so
durcheinanderwirbeln würden.
Aktuell ist mein jüngstes Kind 11 und die Ältesten morgen
18 Jahre alt. Man braucht viele Hände und Füße, um meine „Arbeitskinder“, wie
meine jüngste Tochter sie nennt, zu zählen. Dennoch habe ich zu jeder Akte ein
Gesicht und eine Geschichte. Ich weiß um verlorene, verwundete und getötete Eltern,
Geschwister und Angehörige, Folter, Mord, Missbrauch, Zwangsheirat und
überlebte Selbstmordattentate....Geschichten, die einem das Blut in den Adern
gefrieren lassen. Diese jungen Menschen haben ihre Länder nicht aus Lust und
Laune verlassen. Sie haben alles aufgegeben, alles verloren, Menschen auf der
Flucht sterben sehen...Nie werde ich die Worte eines Jungen vergessen, der mir
sagte: „Das Boot hinter uns ist gesunken und alle sind ertrunken!“
Neben all dem Leid sind diese Kinder- und Jugendlichen
aber immer noch in der Lage zu singen und zu tanzen, anderen Menschen zu helfen und
eine Freude zu machen. Da werden von wenigem Taschengeld Weihnachtsgeschenke für
Betreuer gekauft und nicht etwa die günstigsten Ohrringe ausgewählt, sondern die schönsten,
weil die Betreuerin das verdient hat. Nie werde ich meinen letzten Geburtstag
vergessen. Die Liebe die sie darauf verwendet haben, um alles für mich
vorzubereiten. Ich bin kein sooo großer Geburtstagsfan, aber diesen werde ich
niemals vergessen!
Bei meinen „Arbeitskindern“ liegen Licht und
Dunkelheit so nah beieinander. Schönes und Schlechtes wechseln sich ab.
Es gilt im neuen Jahr viele Probleme zu lösen. An
erster Stelle steht für mich von meinen Jungs nie wieder hören zu müssen, dass sie
sich hier bei uns nicht willkommen, nicht gewollt fühlen. Sie sind gewollt von
mir und von vielen anderen und sie haben eine faire Chance verdient. Aktuell
werden sie in vielen Fällen nur als Kostenfaktor und als Belastung angesehen.
Es schafft sich gerade ein zweites Jugendhilfesystem und zwar eins 2. Klasse
Da höre ich
vom Inhaber des staatlichen Wächteramtes in Sachen Kinderschutz: „Also nein,
wegen einem Flüchtlingskind gehen wir gar nicht erst los! Das nehmen wir nicht in Obhut, denn da kriegen wir
ja das Geld nicht wieder!“ Da wird gedroht mit teilweise absurden Konsequenzen,
Gerichtsverfahren provoziert und Kosten in Kauf genommen, die bei einer
kooperativen Zusammenarbeit hätten gespart werden können...Ich könnte hier mehr
ins Detail gehen, das will ich aber nicht, denn vielleicht lesen und verstehen
das meine Jungs. Sie sollen wissen, dass sie gewollt sind, dass dieser Bereich nur einen Teil der
Gesellschaft ausmacht und dass ein großer Teil bereit ist zu helfen.
Für 2016 Ich wünsche mir keine Sätze mehr zu hören
wie: „Ich habe mein Land verlassen, alles verloren und hier will mich auch
keiner!“ Ich wünsche mir, dass individuell auf jedes Kind und jeden
Jugendlichen geschaut wird, was er oder sie wirklich braucht. Nur weil diese jungen
Menschen ganz alleine den Weg nach Deutschland bewältigt haben heißt das nicht,
dass sie hier keine Hilfe mehr brauchen. Es bedeutet nicht, dass sie erwachsen
sind. Auch wenn sie vielleicht reifer sind als viele deutsche Kinder in ihrem
Alter. Diesen Kindern und Jugendlichen fehlt meiner Meinung nach das
Elementarste zum Wachsen und Reifen, ihre Familie. Sie müssen sich in einer
neuen Gesellschaft zurechtfinden, eine neue Sprache lernen, sich neuen
Gegebenheiten anpassen und das alles ohne den sicheren Hort der Familie und manchmal auch ohne einen sicheren Ort hier in
Deutschland.
Manchmal schäme ich mich für das System in
Deutschland. Nein viele Dinge kann ich nicht nachvollziehen, weder als Juristin
noch als Mensch. Da wird Recht gedehnt und teilweise willkürlich ausgelegt, aus
Kostengründen, aus Überforderung...Ein Notfallplan löst den nächsten ab, dabei
sollten wir alle langsam aufhören überrascht zu sein. Ja, es kommen viele
Flüchtlinge und ja, es macht richtig viel Arbeit. Aber es ist langsam an der
Zeit mit der Situation rechtstaatlich und nicht willkürlich umzugehen
Ich wünsche mir 2016 eine kooperative Zusammenarbeit
mit Ämtern, Behörden, Einrichtungen und Institutionen jenseits von Eitelkeiten
und Befindlichkeiten. Wir haben alle nicht die „Weisheit mit Löffeln
gefressen“, aber jeder verfügt über einen großen Erfahrungsschatz, Wissen und meistens
auch über echte Kompetenz. Wirft man die in einen Topf und stellt sein eigenes
Ego hinten an, kann etwas richtig Gutes draus werden für alle- für die Kinder-
und Jugendlichen und für unser Land. Tja, ich sagte ja, ich glaube nicht an
Magie, aber manchmal darf man doch hoffen....
Für meine „Arbeitskinder“ wünsche ich mir 2016 das
sie ihren Weg gehen, dass sie ihre Stimme nicht verlieren, dass sie ihre
Persönlichkeit behalten trotz ihrer Bemühungen sich Anzupassen und sich ihr
unglaubliches Lachen und ihre positive Energie bewahren. Sie sind jeder
Einzelne etwas ganz Besonderes! Jeder Einzelne hat ein Recht auf eine faire
Chance in unserem Land!
Für uns alle wünsche ich mir Gelassenheit und
Freundlichkeit, ein weites Herz und einen klaren Verstand. Am Ende wird alles
gut und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es auch noch
nicht zu Ende. Auf in ein rockiges Jahr 2016.
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